Vorratsdatenspeicherung und BiometrieUnion und SPD wollen Überwachung noch vor Neuwahl ausbauen

Der Zombie ist zurück! Die Vorratsdatenspeicherung soll – mit der umstrittenen biometrischen Internetfahndung – noch vor der Neuwahl in einem zweiten Sicherheitspaket beschlossen werden, so Bundesinnenministerin Faeser bei der Innenministerkonferenz.

Nancy Faeser, Andy Grote, Joachim Herrmann, Michael Stübgen, die Innenminister*innen von Deutschland, Hamburg, Bayern und Brandenburg.
Deutsche Innenminister*innen: vereint im Wunsch nach mehr Überwachung. – Public Domain Screenshot IMK

Nancy Faeser freut sich. Die Bundesinnenministerin von der SPD sieht im Endspurt ihrer Amtszeit noch einen Sieg in Reichweite. Zum Abschluss der heutigen Innenministerkonferenz sagte sie: „Ich freue mich, dass der zweite Teil des Sicherheitspakets, der im Bundesrat aufgehalten wurde, nun jetzt noch zu Ende gebracht werden soll. Dazu gehört die Gesichts- oder Stimmerkennung von Terrorverdächtigen, Mördern, Vergewaltigern und anderen Schwerkriminellen. Biometrische Daten müssen hier zur Identifizierung mittels KI im Internet abgeglichen werden können.“ Für das Projekt ist eine umstrittene Superdatenbank aller Gesichter im Internet nötig.

Zusätzlich will Faeser kurz vor Ende der Legislaturperiode noch einen uralten Zombie aus dem Grab holen: Die Vorratsdatenspeicherung. Sie wurde in ihrer jeweiligen Ausgestaltung 2010 vom Bundesverfassungsgericht, 2014 vom Europäischen Gerichtshof und 2023 vom Bundesverwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt.

Faeser will einen neuen Versuch, im Rahmen eines erweiterten Sicherheitspakets. Zum Abschluss der Innenministerkonferenz sagte sie: „Und was für uns aber auch wichtig ist und das soll ein solches Sicherheitspaket auch umfassen, ist eine rechtssichere Speicherpflicht für IP-Adressen.“ Laut Faeser sei die IP-Adresse oft der einzige Ermittlungsansatz um Tätern auf die Spur zu kommen. Das gelte laut Faeser insbesondere im Bereich der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und der Terrorismusbekämpfung.

Aus für Quick Freeze

Die Erweiterung des Sicherheitspakets geht laut Faeser nun in den Vermittlungsausschuss. „Ich freue mich über das einheitliche Votum der Konferenz, das noch in dieser Legislaturperiode jetzt im Bund abzuschließen“, sagt sie.

Das Vorgehen zeigt auch, dass von der Ampel nichts bleibt. Denn die hatte eigentlich statt der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung ein anlassgebundenes Quick-Freeze-Verfahren für zu sichernde Daten einführen wollen. Nun positionieren sich Faeser und mit ihr die SPD klar zum möglichen kommenden Koalitionspartner CDU. Und die zieht mit, auf jeden Fall wenn es um die Vorratsdatenspeicherung geht. Es zeichnet sich ab, dass es eine schwarz-rote Mehrheit für eine allgemeine anlasslose Vorratsdatenspeicherung gibt.

Joachim Herrmann, Bayerns Innenminister und der Sprecher der Innenminister von CDU und CSU, sagte zum Abschluss der Innenministerkonferenz: „Dankbar bin ich, dass wir nunmehr den Spielraum genutzt haben, der sich für wesentliche Schritte zu mehr Befugnissen für die Sicherheitsbehörden geöffnet hat, unter anderem für die Verkehrsdatenspeicherung und angemessene Mindestspeicherfristen von IP-Adressen.“

SPD und CDU/CSU: die neue Instantkoalition

Sein SPD-Pendant Andy Grote, Hamburgs Innensenator und Sprecher der Innenminister der SPD, fordert ebenfalls mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden. „Dazu gehört die Speicherung von IP-Adressen und die Möglichkeit zum biometrischen Datenabgleich mit im Internet frei zugänglichen Dateien zur leichteren Identifizierung von schweren Straftätern und Terroristen. Das gilt es jetzt noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen.“

Die neue Instantkoalition zeichnet sich auch im Bundestag ab. Dort wurde gestern über drei verschiedene Gesetzentwürfe zum Speicherung von IP-Adressen beraten. Einer kommt von der CDU/CSU.

Den Christdemokraten zufolge sollen die Provider drei Monate lang speichern müssen, welche Person sich wann mit welcher IP-Adresse im Netz bewegt – und soweit nötig auch die Port-Nummern, die anzeigen, wer wann welchen Dienst genutzt hat, also beispielsweise Mail, Filetransfer, Browser, Chatprogramm. Zudem soll die Funkzellenabfrage erleichtert werden, die Christdemokraten wollen die Bedingung streichen, dass die Erhebung der Daten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht.

Auch zur Verfolgung weniger schwerer Verbrechen

Laut Begründung des CDU/CSU-Entwurfs soll auf die gespeicherten Daten ohne Gerichtsbeschluss zugegriffen werden dürfen, auch zum Zwecke der Verfolgung „allgemeiner (nicht schwerer) Kriminalität“. Nur bevor sie mit Inhaltsdaten verknüpft werden, brauche es einen Gerichtsbeschluss. Auch Nachrichtendienste sollen nach dem Willen der CDU auf die Informationen zugreifen dürfen.

Ein weiterer Vorratsdatenspeicherungs-Gesetzentwurf kommt aus dem Bundesrat, initiiert von CDU-geführten Hessen. Der Entwurf ist in weiten Teilen wortgleich mit dem der CDU/CSU im Bundestag, nur dass die Forderung der Länder sich auf eine Vorratsdatenspeicherung von einem Monat Dauer beschränkt. Laut Europäischem Gerichtshof muss eine allgemeine IP-Adressspeicherung auf den absolut notwendigen Zeitraum beschränkt sein.

Der Entwurf des Bundesrates besagt zudem, es müsse „zur Verfolgung allgemeiner Kriminalität und zum Schutz der öffentlichen Sicherheit auch weiterhin möglich sein, dass Internetzugangsdienste mindestgespeicherte IP-Adressen für eine Bestandsdatenauskunft anhand einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen IP-Adresse verwenden dürfen, um den Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden die Identitätsdaten des relevanten Anschlussinhabers zu übermitteln.

Generalverdacht vs. datensparsame Alternative

Die Entwürfe stellen einen Generalverdacht gegenüber allen Bürger*innen auf, deren Daten präventiv und anlasslos gespeichert werden sollen. Beide Gesetzentwürfe fordern die Vorratsdatenspeicherung zum Zwecke der Bekämpfung schwerer Kriminalität sowie zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit, wollen gleichzeitig aber auch die Möglichkeiten zur Verfolgung weniger schwerer Delikte erweitern. Es wurden in der Vergangenheit auch schon Stimmen laut, die eine Nutzung der Daten zur Verfolgung von Einbrüchen oder Hasskommentaren forderten. Klar ist auch: wenn die Daten einmal vorliegen, werden die Begehrlichkeiten immer größer.

Ein dritter Gesetzentwurf stammt von der FDP und fordert ein datensparsameres Verfahren, eine anlassbezogene, richterlich angeordnete Sicherstellung ausgewählter bestehender und künftig anfallender Daten. Dieses „Quick Freeze“ genannte Verfahren, auf das sich die Ampel eigentlich geeinigt hatte und dem auch die Grünen immer noch anhängen, scheint nun endgültig vom Tisch zu sein. Zu einig sind sich Christ- und Sozialdemokraten in ihrem Wunsch nach mehr verdachtsunabhängiger Überwachung.

Aktuell speichern die Internetprovider freiwillig bis zu sieben Tage, welcher Anschluss wann mit welcher IP-Adresse surft, Mails schreibt, Dateien tauscht. Das ist, glaubt man Boris Rhein, viel zu kurz. Der hessische CDU-Ministerpräsident eröffnet die Bundestagsdebatte mit dem Verweis auf Verfahren zu sexualisierter Gewalt an Kindern, die nicht bearbeitet werden könnten, weil die Zuordnung der IP-Adressen scheiterte: „Kinderschänder haben kein Recht auf Privatsphäre“, sagt er. Geht es nach Rhein sollten alle IP-Adressen längerfristig mit Klarnamen verbunden werden. Demnach hätte dann niemand ein Recht auf Privatsphäre.

Vorratsdatenspeicherung: Nicht mehr ob, sondern nur noch wie

Sebastian Fiedler SPD steigt ebenfalls mit Horrorbildern von sexualisierter Gewalt gegen Kinder ein. Schlussfolgernd sagt er: „Jetzt können wir darüber diskutieren, ob drei Monate Mindestspeicherfrist oder ein Monat, entscheidend für mich und meine Fraktion ist: Wir kriegen endlich etwas gemeinsam hin.“

Seine Parteigenossin Peggy Schierenbeck sagt, die Sicherheitsbehörden bräuchten effektive und zeitgemäße Instrumente zur Bekämpfung von zum Beispiel „schwerster Kriminalität wie Kindesmissbrauch, Terrorismus, Extremismus, Cyberangriffen, Organisierter Kriminalität, Hasskriminalität, Betrugsdelikten im Internet und und und.“ Es ginge nicht um das ob, sondern um das wie. „Wir wollen eine IP-Adressen-Speicherung und werden prüfen, wie wir diese am besten umsetzen können.“ Quick Freeze allein sei keine sinnvolle Alternative.

Thorsten Lieb von der FDP erinnert die Sozialdemokraten, „dass wir die Anlassbezogenheit entsprechender Maßnahmen im Koalitionsvertrag vereinbart hatten.“ Die Vorratsdatenspeicherung sei nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nur in eng umgrenzten Fällen zulässig. Sein Parteikollege Manuel Höferlin sagt, seit anderthalb Jahrzehnten führe man die gleiche Debatte mit immer gleichem Ergebnis: der Rechtswidrigkeit. „Und doch steht ein Vorschlag im Raum, der in die Sackgassen der Vergangenheit zurückführt.“ Nur Quick Freeze sei grund- und europarechtskonform.

Wie man die Vorratsdatenspeicherung umgeht

Helge Limburg von den Grünen wirft den Befürwortern der Vorratsdatenspeicherung vor, für ihr Projekt schlimmste Straftaten ins Feld zu führen, „ohne jegliche Abwägung mit anderen Rechtsgütern“ und damit Gegner zu diffamieren und zu diskreditieren. Er vermisse Anträge zur Prävention und zur Stärkung von Kindern und sieht bei der Bekämpfung von sexualisierter Gewalt an Minderjährigen einen ausschließlichen Fokus auf die Vorratsdatenspeicherung. Sein Parteifreund Marcel Emmerich erinnert daran, dass auch der Kinderschutzbund für das rechtssichere Quick-Freeze-Verfahren und gegen die Vorratsdatenspeicherung ist. Die „gefährdet das Vertrauen in staatliche Institutionen und das ist gerade in diesen Zeiten brandgefährlich.“

Anke Domscheit-Berg von der Linkspartei bringt als letzte Rednerin das Argument, welches eigentlich die ganze Debatte zusammenbrechen lässt: „Schwerkriminelle wissen, wie man eine IP-Adresse verschleiert“, sagt sie. Denn mit der Nutzung eines VPN oder des Tor-Netzwerks oder gar einer Kombination aus beidem lässt sich die im Netz genutzte IP-Adresse mit überschaubarem Aufwand sehr sicher anonymisieren. Domscheit-Berg gibt den Abgeordneten auch noch eine Lektion mit auf den Weg: „Demokratie und Massenüberwachung passen nicht zusammen“.

Die Beratungen zur Vorratsdatenspeicherung sind in den Rechtsausschuss überwiesen. So wie das im Bundestag klingt scheint nur noch die Frage der Dauer der verpflichtenden Speicherung offen zu sein. Bis zum nächsten Gerichtsurteil jedenfalls.

30 Ergänzungen

  1. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands steht in eherner Tradition treu und unverrückbar an der Seite der staatlichen Gewalten im Abwehrkampf gegen die Bürgerrechte.

    Niemand hasst die Sozialdemokratie und verachtet die eigene Parteibasis so sehr wie die SPD-Führung. Letzteres vielleicht zu Recht, schließlich werden sie von denen gewählt.

  2. Es gibt zwei weitere schwergewichtige Grunde gegen eine Verabschiedung derart massiver Grundrechtseinschränkungen durch einen lame-duck-Parlament kurz vor der Wahl:
    1. Wird sich auch die nächste Regierung – an der ziemlich sicher CDU und/oder SPD beteiligt sein werden, durch weitere Verschärfungen der Überwachungs- und Zensurgesetze profilieren wollen. Viel Luft ist da nicht mehr, wenn Scholz/Faeser/Merz schon jetzt ihre Maximalforderungen ohne Abstriche umsetzen.
    2. Sollte bei derart massiven Grundrechtseinschränkungen der Wähler mitreden dürfen. VOR der Verabschiedung der Gesetze. Weil das anständig wäre und, noch wichtiger, weil der Wähler sonst als einzige Widerspruchsmöglichkeit eine Protestwahl hat. Was, schlimmstenfalls, dazu führen könnte, dass nach dem 23. Februar eine AfD-Regierung die neuen Überwachungsmöglichkeiten gegen die Demokratie einsetzen kann.

    1. Tatsächlich etwas seltsam, zumal ein Impact dieser Sache auf das Wahlergebnis nichts weniger bedeuten dürfte, als dass SPD und CDU noch weniger Stimmen abbekommen. Einerseits gut, andererseits taktisch klug?

      1. Die Priorität der SPD-Führung ist nicht Stimmanteil, die 5% hat man sicher, sondern Regierungsbeteiligung und damit Posten und Ämter. Je stärker die AfD, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die CDU ohne SPD-Beteiligung keine Regierungsmehrheit hat.

    2. „Sollte bei derart massiven Grundrechtseinschränkungen der Wähler mitreden dürfen.“

      Das ist ihre Meinung, Scholz und Merz sehen das ganz anders.

      Und eine möglichst starke AfD ist der Garant zur Regierungsbeteiligung der SPD und uU der anderen, die es ins Parlament schaffen. Scholz hatte und hat kein Interesse, die AfD zu schwächen oder gar zu verbieten. Wenn man die AfD vor der Bundestagswahl verböte, hätte die CDU eine Chance auf eine absolute Mehrheit oder uU schwarz-gelb.

    3. „Was, schlimmstenfalls, dazu führen könnte, dass nach dem 23. Februar eine AfD-Regierung die neuen Überwachungsmöglichkeiten gegen die Demokratie einsetzen kann.“
      Ich weiß nicht, wieso immer Gegenteiliges behaotet wird. Aber Fakt ist, dass die AFD die Vorratsdatenspeicherung ebenfalls ablehnt.

      1. Die AfD kann viel erzählen, wenn der Tag lang ist.

        Abgelehnt, weil es a) nicht weit genug geht oder b) weil es Biodeutsche betrifft, die nicht PoC, LGBT, Links sind.

        Die Grünen meinten auch, sie seien pro-Umwelt und ist jetzt das neue Schwarz.

      2. Ablehnt – als politische Positionierung. Nützt leider nichts, wenn sie schon beschlossen wurde – glauben Sie, dass die AFD Überwachung zurückschrauben wird?

  3. Ich komme angesichts der Ereignisse zu der Erkenntnis, dass die Ampel im Grunde nie existieren wollte. Das beschriebene Unheil hat seine Ursachen im Nachfolgenden:

    1. Naivität der Ampel/der SPD bezüglich des politischen Gegners, der sie eigentlich selbst ist

    Beispiel Corona-Milliarden. Die CDU wusste, warum sie damals Klage erhob. Sie hatte eine 50:50-Chance, zu gewinnnen. Hätte sie nicht gewonnen, hätte sie nicht wirklich verloren. Aber durch den Sieg konnte sie der durch die Energiekrise ohnehin angeschlagenen Ampel finanziell das Wasser abgraben und so der Wählerschaft permanent vermitteln, die Ampel sei instabil, schlecht und müsse weg und nur sie selbst – die CDU/CSU – könne alles wieder ins Lot bringen.

    Wie reagiert die Ampel? Sie ist – als GroKo-Geschädigte – anfangs nicht fähig, das Machtbewusstsein samt Taktiken des schwarzen Gegners einzuschätzen, erkennt deshalb die Klage-Finte nicht und demontiert sich weiter, indem sie der CDU nach dem Munde redet, weil sie ja mittlerweile genauso ist wie sie.

    2. Unehrlichkeit dem Wähler gegenüber

    Wer so oft und massiv den Koalitionsvertrag missachtet wie die SPD und besonders Frau Faeser, der hat längst jegliche Glaubwürdigkeit verloren. Aber das kann ihr egal sein, denn in den Bundestag kommt sie wieder und wird wie zu Zeiten Merkels willfähriger Steigbügelhalter für Herrn Merz.

    3. Das Kind im Manne

    Wenn einer wie Scholz wegen – seien wir ehrlich – eines durchaus lösungsfähigen Konfliktes seine Regierung(smehrheit) durch kindische Machtdemonstration ruiniert, um dann in der Interimsphase nichts anderes zu tun, als mit Hilfe seiner schwarzen Kopie ausgerechnet und MIT ABSOLUTER PRIORITÄT (!!) Grundrechte per Mehrheitsersuchen weiter zu schleifen, hat sich als (künftiger) Kanzler völlig disqualifiziert.

    Der Ausstieg des intelligenten und charakterfesten Kevin Kühnert war imho der Ruf seines Gewissens, der verlogenen Hydra „SPD“ den Rücken zu kehren.

  4. Wie Geil!
    Ist den Leuten klar, was das für die SPD faktisch bedeutet?
    Das Problem-chen ist doch, dass die SPD eigentlich als verlässlicher Akteur ausfällt. Endgültig.
    Und die CDU verlangt das, um für die Stärkung des Verfassungsgerichts zu stimmen oder was?
    Hazardeure…

    1. „Das Problem-chen ist doch, dass die SPD eigentlich als verlässlicher Akteur ausfällt.“

      Die SPD ist bereits vor 30 Jahren als verlässlicher Akteur ausgefallen, jedenfalls für Anhänger der Sozialdemokratie. Das Problem ist, dass zu viele Wähler das noch immer nicht wahrhaben wollen.

      1. Ah ja, guter Einwand. Fokus war tatsächlich „auch für andere Partein“, d.h. dass sich auch eine Koalition nicht wirklich lohnt. Und das soll ein Signal bedeuten für… eine multipolare Parteienlandschaft!?

        „Je schneller die ganz weg sind, desto besser.“ sage ich ja nicht gerne, aber im Ganzen, nur was den Demokratieerhalt betrifft, wäre es vielleicht tatsächlich besser?

        1. Ja. Die SPD verhindert eine reale Wahlalternative zur CDU und trägt mit ihrem „links blinken und rechts abbiegen“ massiv zur Demokratieverdrossenheit bei.

          Und die Wahrnehmung „ist egal, was wir wählen, die arbeiten eh alle für die Reichen“ delegitimiert den Staat und ebnet Systemsprengern wie der AfD den Weg. Oder Trump, oder Milei, …

  5. „Helge Limburg von den Grünen wirft den Befürwortern der Vorratsdatenspeicherung vor, für ihr Projekt schlimmste Straftaten ins Feld zu führen, „ohne jegliche Abwägung mit anderen Rechtsgütern“ und damit Gegner zu diffamieren und zu diskreditieren.“
    Genauso ist es ja auch. Ich gehe jede Wette ein, dass, wenn in der EU wirklich irgendwann mal alle Pläne realisiert sind (VDS, Chatkontrolle, biometrische Überwachung überall usw) man von den „aaaarmeeeen Kiiiiindeeeern“ kein einziges Wort mehr hören wird.
    Die Bilanz am Ende ist dann der neueste Stand an Überwachungstechnik und ein komplett marodes Bildungs- und Schulsystem von vor 30 Jahren.

    VPNs außerhalb der Fourteen Eyes-Staaten werden sich wohl eine goldene Nase verdienen.

      1. Carsten:
        Wenn das generell geschähe, hätten wir chinesische Verhältnisse (anders ginge es technisch nicht) und die EU nähme den Verlust von Menschenrechten wie -leben allerorten in Kauf. Aber du hast recht: Zuzutrauen ist es ihnen allemal, so wie die Zeichen stehen.

      2. VPNs allgemein zu kriminalisieren halte ich für eher unwahrscheinlich.
        Als z.B. Corona ausbrach und alle im Homeoffice waren – wie bitte soll denn das ohne VPN gehen?? Und VPNs ausschließlich für Privatleute zu kriminalisieren… kann ich mir nicht ganz vorstellen, wie das gehen soll.

        Tor ist da eine andere Sache.

        Aber selbst mit oder ohne VPN:
        Letztlich wird die VDS – soweit ich es verstehe – doch ohnehin nur relevant, wenn man bereits im Visier ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass durchgängig sämtliche Daten von allen Bürgern kontrolliert bzw ausgewertet werden.
        Ich meine… um Bürger ins Visier zu bekommen wollen sie ja schließlich ihre geliebte Chatkontrolle und die Zerstörung der ach so bösen Verschlüsselung.

        „Problem aus Sicht der EU-weiten Autokratinnen gelöst.“
        Ja gut… Gott sei dank (muss man in diesem Fall sagen) sind die EU-Autokrat:innen auch nicht gerade die hellsten Kerzen auf der Torte, was Technik angeht.

        1. Einfach. Es werden alle VPN verboten außer solche die vom Staat genehmigt sind. Und natürlich lassen diese eine Hintertür für Faeser und co. offen.

          Genau so ist es auch in China.

      1. „Der Durchschnittsmensch ist bürgerlich und wenig Technikaffin, der will eher noch mehr Überwachung.“

        Da bin ich nicht so sicher. Ich glaube eher, dass durch die (oftmals vermeintlichen, z.T. sicherlich über sozialen Zwang) bestehenden Verbandelungen mit spezifischen Stücken Software, so eine Art Hickhack entsteht, wenn ein Teil kritisiert wird, und dann aufgrund der (z.T. angewöhnt, z.T. erzwungen) kurzen Interaktion nur lose Dispositionswidersprüche bleiben, dann letztlich die Flucht aus der Konfrontation resultiert. Hinzu kommt die klaffende Inkompetenz der meißten Medien (nicht nur etablierte), die eigentlichen Probleme konsistent darzustellen. Dann fehlen auch noch die politischen Akteure, die aus Prinzip oder wenigestens um Verantwortungsbewusstsein zu heucheln, sich einer Gegenrichtung annehmen – im Mainstream, also mindestens FDP, nicht nur Piraten. Derweil praktizieren nicht wenige Parteien das Einigkeitsprinzip, also die Unterdrückung öffentlichen Diskurses. Und die nicht… lassen sich irgendwie sonst absägen.

        Mangel an Einschätzungsvermögen und Zwang. Also hält der Durchschnittsbürger im Grunde eine verfaulte Banane in der Hand, und es gibt keine weiteren verfaulten Bananen im Regal. Dass man eine saubere Banane aus dem Regal nehmen und immer noch irgendeine Kacke draufschmieren kann, das fällt dem Bürger leider nicht mehr ein. Deswegen hält er an der verfaulten Banane fest. Auch die neue Opposition verspricht nur verfaulte Bananen, also quasi geliefert wie bestellt!

        Nein, Kurzfassung: Ich glaube Überwachung will man eigentlich nicht, und wenn dann so wie beworben, d.h. für die Bösen und nicht für die Guten. Dass dafür umfassende Reformen nötig wären, kapiert halt keiner. Vom technischen Unsinn abgesehen.

  6. Es verwundert irgendwie kaum noch nachdem sie anlassloses Stop&Frisk bundesweit eingeführt haben, unter dem scapegoat des Solingen Anschlages obwohl dieser gerade bewiesen hat, dass ein Attentäter sich nicht von der Illegalität seines Waffeführens beindrucken lässt.
    Denn es war ja als Messer mit festehender Klinge über 12cm bereits zu diesem Zeitpunkt durch §42a WaffG seit langem verboten zu führen in der Öffentlichkeit und im §42 alt WaffG ebenso schon bei Volksfesten illegal eine entsprechende Waffe auch kürzerer Klingenlänge dabei zu haben.

    Wenn man bedenkt was es in den USA vor 20 Jahren für Diskussionen und Protest gegen diesen Generalverdacht gab, hier ging es aber einfach einfach so durch und interessiert Niemanden wirklich dass man im öffentlichen Raum nicht mehr secure in one’s person & effects ist.

    Insofern kaum verwunderlich dass dies diese Leutchen bestärkt hat darin und sie nun meinen auch mit der VDS jetzt noch wieder durchzukommen, leider.

    1. Es brauchte ja nichtmals auf die Straße, gegen das oben erwähnte stop&frisk kann jeder betroffeme Bürger (wie gegen jedes Gesetz) bis 1 Jahr nach Inkrafttreten eine direkte Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz beim BVerfG anstrengen.
      Bei all den (Berliner) ÖPNV Nutzern die das täglich direkt betrifft dort Freiwild zu sein, ist es noch merkwürdiger dass bisher von keiner Welle solcher berichtet wurde, gerade weil so manche Waffenverbotszone auch (den Frauen ihr) CS Gas verbietet ;) .

  7. Ich würde bezweifeln die ungezwungene freie Bewegung im Öffentlichen Raum überhaupt in Innenstädten noch möglich ist ohne von einem Objektiv erfasst zu werden. Das zusammenführen von Daten ist das eigentliche Problem woraus sich sich dann die lückenlose Überwachung ergibt. Durch die Öffentliche Suche mit biometrischen Merkmalen im Netz wäre dies ohne Frage der Fall. Gerade an Touristisch geprägten Plätzen ist es unmöglich einer Handykamera zu entgehen, hinzu kommen noch stationäre Kameras. Ungezwungen sich frei zu entfalten wie es die Verfassung es einem zusichert ist dies schon lange nicht mehr möglich. Aber der Datenschutz ist ja immer das Problem.

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